Veranstaltung: | Kommunalwahlprogramm B´90/Die Grünen Frankfurt (Oder) 2019 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | KMV |
Beschlossen am: | 20.03.2019 |
Eingereicht: | 28.03.2019, 22:16 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Gerechtes Frankfurt – eine Stadt für alle (Soziales)
Text
Gerechtes Frankfurt – eine Stadt für alle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für das Recht aller Menschen auf ein
menschenwürdiges Leben. Dabei geht es uns vor allem darum, Teilhaberechte zu
garantieren und den Zugang zu Bildung, Freizeit, Wohnen und Kultur
sicherzustellen. Ein unabhängiges Beratungsnetz muss Hilfe bieten für Menschen,
die in Armut oder in Notsituationen geraten.
Fast jedes dritte Frankfurter Kind unter 18 Jahren ist ganz oder teilweise auf
staatliche Leistungen angewiesen. Damit herrscht in Frankfurt (Oder) die höchste
Kinderarmutsquote aller Kreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg. Hinzu
kommt, dass die Kinderarmut in Frankfurt sogar leicht gestiegen ist, während
überall sonst im Land ein Rückgang zu verzeichnen war. Neben der angespannten
finanziellen Lage kann sich auch die teilweise zu beobachtende kulturelle,
soziale und emotionale Armut nachhaltig auf das Wohlbefinden und die
Zukunftschance der Kinder auswirken. Deshalb ist uns die Bekämpfung von Kinder-
und Familienarmut besonders wichtig. Wir unterstützen die Initiative des
Oberbürgermeisters, sich der Thematik anzunehmen und eine Gesamtstrategie für
diese zentrale Herausforderung zu entwickeln. Für dieses Anliegen halten BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN die Familienförderung für eine der wichtigsten gesellschaftlichen
und somit auch kommunalen Aufgaben. Unsere Stadt hat einige gute
niedrigschwellige Ansätze entwickelt, um Familien zu helfen und zu begleiten,
wie etwa den Baby-Besuchsdienst, die Familienhebamme oder auch die enge
Kooperation zwischen Eltern-Kind-Zentren, Kitas und Familienhilfe. Wir setzen
uns weiterhin dafür ein, den Baby-Besuchsdienst, die Familienhebamme und die
beiden Eltern-Kind-Zentren dauerhaft zu finanzieren und diese Finanzierung
mittelfristig zu erhöhen, um ihre erfolgreiche Arbeit nachhaltig
sicherzustellen. Darüber hinaus halten wir es für ein wichtiges Element einer
ganzheitlichen Strategie, auch die soziale Stigmatisierung zu bekämpfen, der
sich von Armut betroffene Familien und Kinder im Alltag regelmäßig ausgesetzt
sehen.
Wir Bündnisgrünen haben uns bei der Überarbeitung der Kitabeiträge dafür
eingesetzt, Familien stärker zu entlasten und Beiträge gerechter sozial zu
staffeln. Als einzige Fraktion haben wir uns dagegen ausgesprochen, einen
Beitrag für finanzschwache Familien einzuführen. Angesichts der geplanten
Einführung von Beitragsfreiheit durch das Land werden wir auch weiter dafür
kämpfen. Als Kommune müssen wir uns weiterhin auf Landesebene dafür stark
machen, dass notwendige Betreuungszeiten vom Land ausfinanziert werden,
Betreuungsschlüssel tatsächlich gewährleistet werden können, Kita-Leiter*innen
Zeit für Leitungsaufgaben haben und das Land dafür sorgt, nicht nur die
Quantität sondern auch die Qualität der Betreuung zu verbessern.
Kinder in bedürftigen Familien haben Anspruch auf Erstattung des Eigenanteils
für den Erwerb von Schulbüchern und auf Ermäßigung bei der
Schüler*innenbeförderung. Wir wollen in den Schulen und Kitas verstärkt
Aufklärungsarbeit leisten, um den Familien dabei zu helfen, ihr Recht in
Anspruch zu nehmen. Außerdem wollen wir Möglichkeiten schaffen, den Zugang zu
Leistungen des Bildungs- und Teilhabegesetzes für bedürftige Kinder und
Jugendliche zu erleichtern, wie etwa ein vereinheitlichtes Bezahlsystem.
Bei der Bewältigung der Auswirkungen von Kinderarmut spielt die
Jugendsozialarbeit an Schulen, in Jugendclubs und im öffentlichen Raum eine
wichtige Rolle, um die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen
zu fördern. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind der Auffassung, dass es Schulsozialarbeit
an allen Schulen in Frankfurt geben sollte. Wir setzen uns daher für eine
mittelfristige Verstetigung der Stellen von Schulsozialarbeiter*innen und einen
Ausbau im Rahmen der inklusiven Grundschulen ein. Um auch im Freizeitbereich
gute Unterstützungsangebote für Jugendliche zu machen, wollen wir die
Kapazitäten der offenen Jugendarbeit und Straßensozialarbeit ausbauen sowie die
Vernetzung der Träger und Einrichtungen stärken, gerade auch im Hinblick auf
aktuelle Bedarfe in der Präventionsarbeit.
Auch das Mehrgenerationenhaus muss von Seiten der Stadt weiter in seiner Arbeit
unterstützt werden. Es ist ein unverzichtbarer Anlaufpunkt geworden,
insbesondere für Menschen aus der Innenstadt. Das Quartiersmanagement hat sich,
wie die Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe insgesamt, bewährt.
Es ist sehr erfreulich, dass Frankfurt (Oder) 2018 erstmals seit 1990 wieder
einen leichten Bevölkerungszuwachs verzeichnen konnte. Aktuelle Prognosen deuten
an, dass sich dieser positive Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird.
Deshalb unterstützen wir den kürzlich beschlossenen Abriss-Stopp und setzen uns
dafür ein, dass es weiterhin genügend bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum im
Zentrum und in den Stadtteilen gibt. Dafür ist die regelmäßige Fortschreibung
des qualifizierten Mietspiegels für uns unverzichtbar. Auch passende und
günstige Wohnungen für Studierende und junge Familien sind wichtig, wenn wir
diese in Frankfurt halten wollen. Wir haben in Teilen einen Wohnungsüberhang in
Frankfurt und Wohnungsknappheit in Słubice. Hier liegt es auf der Hand, dass
eine stärkere Kooperation unserer Zwillingsstädte in diesem Bereich Vorteile für
alle bringt. Dazu gibt es bereits erfolgreiche Ansätze durch die
Wohnungsunternehmen, die wir unterstützen und ausbauen wollen.
Auch wenn es in den letzten Jahren auch positive Entwicklungen gab, ist die Zahl
der Arbeitssuchenden in Frankfurt (Oder) weiterhin zu hoch. Durch eine
nachhaltige Wirtschaftspolitik mit grenzüberschreitender Ausrichtung wollen wir
hier eine langfristige Verbesserung erreichen. Außerdem müssen auch
selbstorganisierte, erfolgreiche Strukturen wie die Arbeitsloseninitiative
weiterhin gefördert werden. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen wir für einen
gesetzlichen Mindestlohn. Das bedeutet für uns vor Ort die konsequente
Einhaltung des Vergabegesetzes und generell existenzsichernde Löhne sowie gute
Arbeitsbedingungen und starke Personalvertretungen. Nicht nur in der Vergabe
eigener Aufträge, sondern auch im Wettbewerb um Wirtschaftsansiedlungen darf die
Werbung für Frankfurt (Oder) als Niedriglohn-Standort kein Mittel der
Wirtschaftsförderung sein. Menschen mit Behinderung sollen leichter als bisher
eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt finden.
Ein besonders wichtiger Bestandteil guter Arbeitsbedingungen ist für uns die
Familienfreundlichkeit. Auch wenn wir in Frankfurt vergleichsweise gut dastehen,
was den Ausbau von Betreuungskapazitäten angeht, müssen wir die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie noch weiter verbessern. Alleinerziehende haben oft
Schwierigkeiten, einen Beruf anzunehmen, weil sie die Betreuung mit
Schichtarbeitszeiten, z.B. in den Callcentern, schwer vereinbaren können. Hier
wollen wir Abhilfe schaffen und Initiativen wie das Bündnis für Familie
unterstützen, das sich erfolgreich für familienfreundlichere Arbeitsbedingungen
in Frankfurter Unternehmen einsetzt.
Auch der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung unserer Stadt steigt. Wir
wollen, dass sie auch im Alter weiterhin ein selbstbestimmtes Leben führen
können. Deshalb muss die Stadtverwaltung eng mit den städtischen
Wohnungsunternehmen zusammenarbeiten, um Angebote unterschiedlicher
altersgerechter Wohnformen sicherzustellen. Wir setzen uns außerdem dafür ein,
eine Pflegeeinrichtung in städtischer Hand zu erhalten und gezielte Projekte zur
Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Pflege zu initiieren, damit ausreichend
Pflegeplätze mit guten Bedingungen in Frankfurt zur Verfügung stehen.
Gerade für ältere Menschen, aber auch für das soziale Leben der Stadt insgesamt,
ist eine gute Nahversorgung mit Supermärkten, Ärzt*innen und öffentlichen
Verkehrsmitteln wichtig. Deshalb setzen sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine
nachhaltige Sicherung von Einkaufsmöglichkeiten in allen Stadtteilen ein sowie
einen Nahverkehr, der in seiner Taktung, Linienführung und
Haltestellenausstattung keinen Stadtteil abhängt. Die letzten Jahre haben
gezeigt, dass in Frankfurt (Oder) Fachärzt*innen in verschiedenen Bereichen
fehlen. Um hier wieder eine ausreichende Versorgung zu erreichen, wollen wir
gezielte Gespräche mit Verbänden und Krankenkassen führen, um die Ansiedlung von
Fachärzten zu fördern.
Auch die Versorgung unserer Stadt mit Hebammen ist ein zentrales Anliegen für
uns. Deren Anzahl ist in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Wir
wollen darauf hinarbeiten, dass die Stadtverwaltung attraktive Bedingungen und
Anreize für Hebammen schafft, um sie in der Stadt zu halten.
Die Möglichkeiten zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen
Leben und die Rahmenbedingungen zur Bewältigung des täglichen Lebens müssen
erheblich verbessert werden. Dafür brauchen wir Orientierungssysteme, die auch
für Menschen lesbar sind, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind oder
nicht lesen können, mehr akustische Ampelanlagen sowie eine barrierefreie
Gestaltung von Webseiten und Informationsangeboten der Stadt. Die bauliche
Barrierefreiheit wollen wir ausbauen, insbesondere durch Bordsteinabsenkungen,
Rampen, Handläufe und Aufzüge. Unsere Stadt muss genügend barrierefreien
Wohnraum bieten, der ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Um barrierefreie
Arztpraxen zu bündeln, unterstützen wir die Idee eines Praxisspiegels und wollen
mehr Einzelhändler*innen dafür gewinnen, barrierefreie Zugänge zu gewährleisten.
Der Standort der Notunterkunft für Wohnungslose sowie der
Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Seefichten gehört für uns auf den
Prüfstand. Diese Menschen sollen nicht isoliert weit außerhalb des Stadtzentrums
leben. Die Unterkunft ist schwer erreichbar, da Wohnungslose kaum Geld für den
Bus aufbringen können. Dies kann besonders im Winter kritisch werden, wenn sie
die schützende Unterkunft nicht mehr zu Fuß erreichen können. Hier muss eine
andere Lösung gefunden werden.